Der Geschmack der Kindheit

Als Kind habe ich mich immer darüber gewundert, dass mein Vater sich von meiner Mutter immer Bratkartoffeln wie die seiner Mutter gewünscht hat – mit Krüstchen. Die gelangen meiner Mutter nur in einer uralten Eisenpfanne, deren Stiel abgebrochen und mit Leukoplast angeklebt war. Und zu besonderen Tagen wie Geburtstag oder Hochzeitstag wünschte sich mein Vater von ihr „Rostige Ritter“ mit Weinschaumsoße. Alles Erinnerungen an Speisen, die nun auch meine Kindheitserinnerungen begleiten. Wie auch eine süße Biersuppe mit Ei-Schaum-Klößchen aus seiner Heimat, die es statt Abendbrot gab und uns Kindern auch sehr gemundet hat. Ich habe sie für meine Familie trotzdem noch nie gekocht und auch eigentlich auf meinem Speiseplan nie vermisst.

Ganz anders als die einmalig guten Brezeln aus meinen Kindertagen, die heute kaum ein Bäcker mehr zu backen weiß. Alles, was die Großbäckereien heute zustande bringen, ist ja nur eine Karikatur einer Brezel, die höchstens noch vom Aussehen her an eine solche erinnert. Keine Spur von den Delikatessen, die es in meiner Kindheit für 20 Pfennig bei jedem Bäcker gab, außen rösch und innen weich.

Überhaupt muss man lange suchen, um auch manch andere Köstlichkeit von der bayerischen Speisenkarte in einem Gasthaus zu finden, einfache Gerichte wie saure Leber oder Nieren, Milzwurst mit Kartoffelsalat, die so unglaublich lecker schmecken, dass man sich alle zehn Finger danach abschlecken mag. Nun, die bayerische Küche ist mit ihrem deftigen Essen nichts für Vegetarier oder gar Veganer. Aber jede Mode muss man ja in unserem Alter nicht mehr mitmachen, auch wenn’s angeblich gesünder wäre.

Vor kurzem war ich mit meinem Mann in einer Gastwirtschaft, in der wir vor über 30 Jahren oft eingekehrt sind, da wir damals in Nähe wohnten. Und siehe da, es schmeckte genau so gut wie vor 30 Jahren, dort war die Zeit im guten Sinne einfach stehen geblieben, eine Wirtschaft, die wir jetzt als Geheimtipp weiterempfehlen können. Allen, die sich nach einem solide und mit Sorgfalt noch selbst gekochten Essen sehnen!

Meine Mutter war Hausfrau
Als Kind gab es bei mir zuhause jeden Tag zum Mittagessen ein Menü mit drei Gängen. Immer eine Suppe, eine Hauptspeise mit Fleisch oder Fisch und einen Nachtisch. Mein Vater war selbstständig und mittags immer daheim, fragte schon während des Mittagessens, was es denn morgen zu essen gäbe.
Meine Mutter war Hausfrau, das war ja ganz normal in den 50er/60er-Jahren. Von daher war es auch ganz normal, dass sie für den Haushalt sorgte. Auch ich wurde durch diverse Spielsachen auf die Hausfrauen-Rolle vorbereitet. So hatte ich einen eigenen kleinen voll funktionstüchtigen Herd, auf dem ich selbst kochen konnte, Nudelsuppe zum Beispiel. Wenn meine Mutter einen Kuchen backte, dann bekam ich immer etwas vom Teig ab, damit ich meinen eigenen kleinen Kuchen in einem Förmchen im Backofen des Herdes backen konnte. Natürlich hatte ich auch eine kleine Waschmaschine, einen Staubsauger und eine Nähmaschine – alles für die zukünftige Hausfrau.

Als meine Mutter dann in den 50er-Jahren Tütensuppen, -soßen und Fertigpürees entdeckte, war es leider mit den frisch gekochten Speisen vorbei. Sie empfand diese Fertiggerichte als große Entlastung von ihren hausfraulichen Pflichten, musste sie doch nun nicht mehr so lange in der Küche stehen. Darüber, dass sie mit diesen industriell hergestellten Fertigprodukten, die ja damals noch voller Geschmacksverstärker, Farbstoffe, Stabilisatoren und Haltbarkeitsmitteln waren, die Anlage zu zahlreichen Allergien legen würde, war sicherlich nicht beabsichtigt. Alles, was modern war, war erst einmal toll und richtig.